IT-Strategie im Wandel – Olaf Zeitnitz im Gespräch mit Markus Enderlein

07.10.2025
Lesedauer: 6 Min.

Dr. Olaf Zeitnitz ist Professor für Digitalisierung und IT-Management an der SRH Fernhochschule. In diesem Interview widmet er sich gemeinsam mit Markus Enderlein, Vice President bei INFOMOTION, dem Thema IT-Strategie und ihrer Bedeutung für Unternehmen.

Olaf Zeitnitz: Wir sprechen heute über IT-Strategie. Das ist erst einmal ein abstrakter Begriff. Ich denke, es gibt auch keine harte Definition dafür. Aber es wäre spannend zu hören: Was ist für dich eine IT-Strategie, wie würdest du sie definieren, was sind die Kernpunkte?

Markus Enderlein: Ich glaube, es gibt viel Literatur zu Strategien, auch zu IT-Strategien. In der Praxis sind diese aber sehr unterschiedlich. Grundsätzlich geht es darum, dass jede Unternehmensfunktion ihren Beitrag zur Gesamtstrategie leistet. Die IT-Strategie ist also kein Selbstzweck, sondern beschreibt, wie die IT die Unternehmensstrategie unterstützt. Das kann Skalierung sein, wenn Wachstumsziele definiert sind, oder Kostenreduktion, wenn Effizienz im Vordergrund steht. In der Realität geht es aber oft auch darum, Konsens zu schaffen. Neue CIOs, neue Abteilungsleiter – alle arbeiten, aber ohne gemeinsames Ziel. Dann ist die IT-Strategie ein Werkzeug, um Prioritäten zu setzen, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und die Fachbereiche einzubinden.

 

 

Olaf Zeitnitz: Das bedeutet: Man muss definieren, wo die IT hinwill. Vision und Mission sind also auch für die IT-Strategie wichtig?

Markus Enderlein: Absolut. Vision und Mission sind nicht nur Floskeln, sondern drücken ein Selbstverständnis aus. Positioniert sich die IT als reiner Dienstleister, der nur Tickets abarbeitet? Oder als Partner der Fachbereiche, der gemeinsam Lösungen entwickelt? Diese Nuancen sind entscheidend. 
Die Strategie ist der Startpunkt für Transformation. Vision und Mission sind das Sahnehäubchen, das Orientierung gibt. Wenn aber in der Mission steht, man sei Partner der Fachbereiche, die Organisation jedoch nur auf Effizienz und Ticketbearbeitung ausgerichtet ist, passt das nicht zusammen. Genau deshalb erleben wir gerade viele Strategien, die die Rolle der IT neu definieren – weg vom Dienstleister, hin zum Partner.

 

 

Olaf Zeitnitz: Ein weiterer Punkt ist das Operating Model. Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen aus? 

Markus Enderlein: Das ist ein Kernthema. Manche Unternehmen richten ihre IT komplett an den Fachbereichen aus, andere behalten eine zentrale IT. Es gibt sogar Modelle, in denen IT und Fachbereiche verschmelzen – sogenannte Fusion Teams. Das kann sinnvoll sein, birgt aber auch Risiken, etwa wenn Standardisierung vernachlässigt wird. Die Kunst ist, die richtige Balance zu finden.

 

 

Olaf Zeitnitz: Eine IT-Strategie ist ja nie statisch. Wie gehst du mit Veränderungen um?

Markus Enderlein: Eine IT-Strategie ist immer ein Snapshot. Sie sollte drei bis fünf Jahre Orientierung geben, aber natürlich muss sie angepasst werden, wenn neue Themen auftauchen – sei es Datensouveränität, neue regulatorische Anforderungen oder technologische Trends. Wichtig ist, dass die Strategie Priorisierung ermöglicht. Ohne Strategie wird man ständig vom Operativen getrieben. Mit Strategie kann man operative Themen abarbeiten, ohne das große Ziel aus den Augen zu verlieren. 

 

 

Olaf Zeitnitz: Du hast Sourcing und Datensouveränität angesprochen. Wie wichtig ist das Thema aktuell? 

Markus Enderlein: Sehr wichtig. Viele Unternehmen überlegen, wie abhängig sie von US-Anbietern sein wollen. Manche setzen auf Multi-Cloud, andere bauen On-Premises-Backups auf. Es geht darum, Risiken zu managen – sei es geopolitisch, regulatorisch oder technologisch. Kurzfristig werden souveräne Lösungen oft als Backup eingeführt, langfristig könnte es aber zu einem echten Paradigmenwechsel kommen.

 

 

Olaf Zeitnitz: Ein weiteres Thema ist Enterprise Architecture Management. Wie hängt das mit der IT-Strategie zusammen? 

Markus Enderlein: EAM liefert die Methodik, um Fähigkeiten, Prozesse und Technologien zu strukturieren. Besonders wichtig ist das Capability Management: Welche Fähigkeiten benötigt das Unternehmen, und wie unterstützt die IT diese? Daraus lassen sich Zielbilder ableiten. EAM ist aber nicht geeignet, um das Operating Model zu designen – das behandeln wir separat.

 

 

Olaf Zeitnitz: Wie siehst du IT-Governance? 

Markus Enderlein: Governance muss Sicherheit, Stabilität und Standardisierung gewährleisten. Aber sie darf nicht als Bremse wirken. Wir setzen stark auf Enablement – also Skills statt Prozesse. Wenn Mitarbeitende verstehen, warum Daten sensibel sind, ist das oft wirksamer als ein kompliziertes Klassifikationskonzept. Governance muss pragmatisch sein und zum Unternehmen passen. In stark regulierten Branchen ist sie naturgemäß strenger, in anderen kann sie schlanker sein.

 

 

Olaf Zeitnitz: Welche Rolle spielt AI in diesem Szenario? 

Markus Enderlein: Wenn wir jetzt zwei große Themen miteinander verbinden, Data und AI Governance, insbesondere AI Governance, dann sehen wir: Durch die Regulierung, insbesondere den EU AI Act und den EU Data Act, haben wir klare Vorgaben erhalten. Es gibt nun definierte Rahmenbedingungen dafür, wie die Vertrauenswürdigkeit von KI-Modellen zu bewerten ist, was erlaubt ist und was nicht. 

Viele Unternehmen stehen aktuell vor einer Herausforderung: Sie sagen zwar, ihre allgemeine Governance funktioniere, aber beim Thema AI Governance müsse dringend nachgebessert werden. KI ist bei ihnen strategisch Top-Priorität Nummer eins, doch in der Operationalisierung von KI und der zugehörigen Governance sind sie noch schwach aufgestellt. Das Thema bleibt auch zukünftig für uns alle von zentraler Bedeutung.

 

 

Olaf Zeitnitz: Kommen wir zur Praxis: Wie läuft ein Strategieprojekt konkret ab? 

Markus Enderlein: Wir starten mit Interviews und Workshops, um die Perspektiven der Entscheider und Fachbereiche einzuholen. Bei einem großen Handelsunternehmen haben wir zum Beispiel 18 Interviews geführt und mehrere ganztägige Workshops durchgeführt. Wichtig ist, dass alle relevanten Stakeholder beteiligt sind – sonst fehlt die Akzeptanz. Am Ende steht eine Roadmap mit kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Maßnahmen. Besonders wichtig: Es muss sofort umsetzbare Schritte geben, sonst entsteht eine Erwartungsdelle.

 

 

Olaf Zeitnitz: Zum Abschluss eine ganz andere Frage: Wenn du neue Mitarbeitende einstellst – worauf achtest du besonders? 

Markus Enderlein: Auf gute Grundlagen, Lernfähigkeit und Begeisterung. Die IT ist so breit, dass man schnell neue Themen aufnehmen können muss. Künstliche Intelligenz ist heute ein Muss – jeder sollte verstehen, wie man sie sinnvoll einsetzt. Aber am wichtigsten ist die Leidenschaft: Mitarbeitende, die mit leuchtenden Augen neue Ideen einbringen, machen den Unterschied.


Fazit

Das Gespräch zeigt: IT-Strategie ist weit mehr als ein Dokument. Sie ist ein Transformationsprozess, der Vision, Mission, Operating Model, Architektur, Governance und Sourcing umfasst. Entscheidend ist, dass sie nicht nur auf dem Papier existiert, sondern gelebt wird – mit klaren Prioritäten, Einbindung der Fachbereiche und einer Roadmap, die sofortige Umsetzung ermöglicht. 
 
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Ein Beitrag von:

INFOMOTION Markus Enderlein

Markus Enderlein

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